Philosophisches (von dicken Frauen und dünnen Männern)

Die letzten Tage haben mich mal wieder tief in meiner Psyche graben lassen. Und ich bin besonders heute auf Interessantes gestossen.

Es geht um Körperliches. Um meinen Körper. Letzten Sonntag habe ich, wenn auch in einer sehr freundlichen und fürsorglichen Art, von einem männlichen Bekannten die Ansage erhalten, dass ich mich mit meiner Körperlichkeit fernab jeglicher Norm befinde. Ein Bedauern schwang da mit, als würde es sich um eine Art Behinderung handeln. Ich muss dazu sagen, dass derjenige mich an diesem Tag nach längerer, ausschließlich virtueller Bekanntschaft zum ersten Mal in Augenschein genommen hat. Er meinte nach dem Treffen – dann wieder aus sicherem Abstand, also virtuell – dass er sich Sorgen um mich mache. Es kam der dringende Rat, mich um (m)eine Abnahme zu bemühen. Good point so far!

Ich habe daraufhin doch tatsächlich wieder mal den Sinn und Unsinn meines Seins, das „Wie & Warum nicht anders“ meines Körpers auf den Prüfstand gestellt. Und das Ganze habe ich in Bezug auf meine Zufriedenheit und mein innerliches Glücksempfinden analysiert. Und mein Ergebnis lässt mich nicht so unbefriedigt zurück, wie dieser und gewisse andere Herren zu wissen glauben.

Immer schon wehre ich mich dagegen in eine bestimmte Schublade namens „die Dicken“ gesteckt zu werden. Meiner Meinung nach kann man Menschen nicht in
a)  Dicke,
b) Normalgewichtige und
c) Dünne einteilen

und ihnen auch nicht den jeweiligen Stempel von
a) faul, träge, undiszipliniert,  willenlos oder
b) vital, aktiv, diszipliniert, willensstark oder
c) blutleer, antriebsarm und weinerlich aufdrücken.

Das stimmt einfach so nicht. Es gibt immer alles in jeder dieser drei hier genannten Erscheinungsformen. Dicke Energiebündel und Normale in scheintot. Übergewichtige Schlaftabletten und unterernährte Vitalitätsbomben. Alles geht, alles ist drin. Das freut mich und macht mich regelrecht froh. Denn das Leben ist kunterbunt und bestätigt meine Theorie an jedem neuen wunderbaren Tag.

Deshalb habe ich gerade in letzter Zeit verstärkt Wert darauf gelegt, dass neue Bekanntschaften….. wie es der Zufall will, waren das vorwiegend Männer meines Alters….. mich erstmal ausreichend virtuell kennen lernen können. Ich werfe meine Angel aus und bestücke sie mit den allerfeinsten Ködern, aber auch mal nur mit trockenem Brot. Wenn sie dann der Meinung sind, sie mögen mich so, wie ich drauf bin, dann kann man sich mal live und in Farbe treffen. Ich habe im Vorfeld nie ein Hehl daraus gemacht, dass ich ordentlich Kilos auf den Rippen habe und das es mir selbst auch zu viele sind. Aktuelle Fotos gab es von mir ebenfalls zu sehen…. selbstverständlich meist die vorteilhaften. Ich bin ja eine Frau und zu einem gewissen gesunden Grad auch eitel.

Bei der Auswahl der Bekanntschaften kam immer wieder der stolze Hinweis, dass Herr X und Mr. Y ihr Gewicht seit Jahrzehnten halten und auch nicht ein Gramm zugenommen haben. Und sie alle legten größten Wert darauf zu betonen, dass sie für ihr Alter noch erstaunlich vital und leistungsfähig seien …. Nachtigall ick hör dir trapsen…. aber dennoch mache der in naher Zukunft eintretende Fall des 59. oder 60. Geburtstag den Herren arge Bauchschmerzen. Sie alle fühlten sich doch viel jugendlicher als diese verflixte Zahl auf dem Personalausweis dokumentierte.

Je mehr Beteuerungen ich im Vorfeld hörte, desto schlimmer traf mich dann die Realität. Jugendlichkeit und Elan lassen sich nun mal nicht herbei reden. Entweder sie sind da oder nicht. Entweder sie sind dahin geschwunden oder – was ich viel eher vermute – sie waren jenseits der 30 einfach abgestorben.  Und huch! Da half auch das fehlende Übergewicht nix.

Wenn man sich in meterlangen Chatverläufen und stundenlangen Telefonaten erst mal ein bisschen warm geredet hat, dann kommt es – wir sind ja unter uns – auch schnell zu erstaunlichen Geständnissen. Da nehme ich mich auch gar nicht aus. Ist ja bis dahin eh alles nur virtuell und unverbindlich. Und es kommen teilweise traurige Wahrheiten zutage.

Die Einsamkeit ist eine viel verbreitete Krankheit mit der das späte Lebensglück herum laboriert. Und dann sind da noch die extrem hohen Maßstäbe, die die Menschen anlegen, wenn es um ihr Gegenüber geht. Sich selber reden sie die Misere schön. Ist ja alles noch voll knackig und zu 100% vital.

Jeder Topf findet sein Deckelchen. Schön, wenn sie noch vor dem nahenden Lebensende zusammen finden.

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3 Antworten zu Philosophisches (von dicken Frauen und dünnen Männern)

  1. Myriade schreibt:

    Das Schlimme an der Situation ist , dass Menschen sich selbst und andere als Handelsware mit einem gewissen Marktwert betrachten. Auf Sklavenmärkten ist es wohl auch nicht anders zugegangen, nur war da etwas zuviel Fleisch auf den Knochen eher selten. Es ist doch wirklich traurig, dass es viele Menschen gibt, die sich einsam fühlen, aber nicht bereit oder fähig sind sich von ihren klischeehaften Ansprüchen zu befreien und einfach auf andere Menschen zuzugehen ohne im Geist eine Anforderungsliste abzuhaken (auf der meistens „schlank“ ganz oben steht)

    • chinomso schreibt:

      Und viele von denen, die unbedingt eine schlanke, und damit im Freundeskreis und beruflichen Umfeld vorzeigbare, Partnerin haben wollen, die sind für eigene Defizite vollkommen betriebsblind. Dabei geht es nicht mal unbedingt darum, dass sie eine molligere Partnerin völlig unattraktiv finden oder sexuell nicht anziehend. Nein, sie muss den allg. gesellschaftlichen Ansprüchen genügen und vorzeigbar sein.

      • Myriade schreibt:

        Ja, genau und auf die Art bleiben alle ohne Partner/in und die einzigen , die profitieren sind die Vermittlungsplattformen, die sich krumm und schief verdienen

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