Das Leben wird vorwärts gelebt und rückwärts verstanden. (Sören Kierkegaard)
Sie hatte lange schon aufgehört auf ihn zu hoffen und eigentlich auch nie ernsthaft an seine Existenz geglaubt. Aber es gab ihn. Den Prinz auf dem weißen Pferd.
Es gibt ihn für jede Frau.
Manchmal erkennt sie ihn nur nicht gleich, weil sein Aussehen nicht dem Klischee entspricht. Es muss kein braungebrannter Hüne mit Heldenbrust sein. Und eine Krone als Erkennungszeichen trägt er oft auch nicht. Und so trifft die eine oder andere Frau im Laufe ihres Lebens auf ihn, verbringt ein wenig Zeit mit ihm und weiß es doch nicht. „Das ist er, mein Prinz.“ Und deshalb versäumt sie es, ihn fest zu halten. Er ist sich auch unsicher und macht andere Pläne, geht letztlich seiner Wege. Sie verlieren sich aus den Augen.
Eine innere Stimme hatte dem gut gereiften Prinzen geraten sich auf die Suche nach ihr zu machen. So ließ er seinen drögen Prinzenalltag hinter sich, holte das weisse Pferd aus dem Stall, sattelte es heimlich selbst und ritt in die heraufziehende Morgendämmerung.
Immer wieder zweifelte er an der Richtigkeit seines Vorhabens und hatte Gewissensbisse, sein altes Leben hinter sich gelassen zu haben. Er war eigentlich nicht der geborene Abenteurer und so dachte er manchmal auch daran, entmutigt aufzugeben. Aber irgendeine Kraft trieb ihn an. Oder war es eher das sichere Gefühl, er habe eine Mission zu erfüllen? Eine Aufgabe, die für ihn bestimmt war? Und nur für ihn? Ja, das war es.
Eines Tages war er da. Er hatte sie endlich gefunden.
Und nun? Beide waren sich mehr als unsicher, wie es jetzt weiter gehen sollte. Alle störenden Gedanken an diese völlig ungewisse Zukunft schoben sie beiseite. Sie wollten erstmal nur genießen. Die Zeit zu zweit.
Das Pferd graste derweil friedlich auf der Wiese.